Liebe Shinson Hapkido-Familie

Die Gewaltbereitschaft Jugendlicher im Ausgang hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Der Konsum von Alkohol und das verlängerte Nachtleben werden als Hauptgründe für diese Entwicklung angeführt. Ich frage mich allerdings, ob dem wirklich so ist. Das Nachtleben mit all seinen Facetten hat Jugendliche zu allen Zeiten in ihren Bann gezogen. Auch in meiner Jugend gab es schon Lokale, in welchen man bis weit in die Morgenstunden zusammen sein und trinken konnte. Wir haben das auch gemacht, oftmals zu lange und zu viel - auch das gehört zur Jugend. Dass Jugendliche Grenzen übertreten, ist normal: Es gehört zum Erwachsenwerden dazu. Aber wir sind nachher nicht durch die Stadt gezogen und haben Streit gesucht. Wir haben nicht nach bösen Blickkontakten und anderen fadenscheinigen Gründen für Gewalt gesucht. Und wenn es doch einmal zu einer Rauferei kam, dann war spätestens dann fertig, wenn der Gegner auf dem Boden lag.

Warum ist das heute nicht mehr so? Es gibt viele Gründe, deren Aufzählung den Rahmen dieses Grusswortes sprengen würde. Ich konzentriere mich deshalb auf einen. Ich glaube, dass einige Jugendliche von heute die Orientierung und dadurch den Respekt für andere Menschen verloren haben. Aggressiven Jugendlichen geht es oft darum, sich Respekt zu erarbeiten – dies durch die Abwertung von anderen. Ein echter Kämpfer oder Kampfkünstler jedoch hat Respekt für sein Gegenüber. Er weiss um die eigenen Grenzen und die eigene Endlichkeit. Ein echter Kämpfer hält sich an die Regeln, auch wenn diese nirgendwo aufgeschrieben sind. Ein echter Kämpfer achtet und liebt das Leben. Ein echter Kämpfer kämpft vor allem mit sich selbst und den eigenen Schwächen. Er beschützt und fördert die Schwachen, indem er ihr Selbstbewusstsein aufbaut und ihr Selbstvertrauen stärkt. Unterdrückern zeigt er auf, dass ihr Weg nicht zum Erfolg führen kann. Auf diese Werte baut jede starke Gesellschaft auf.

Wenn wir weniger Aggressionen wollen, dann müssen wir lernen, dass wir zuerst mit uns selber kämpfen können und sollen. Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Ich danke Ihnen, dass Sie sich genau dafür einsetzen und wünsche Ihnen ein gutes Lager.

Regierungsrat Stephan Schleiss, Bildungsdirektor Kanton Zug